
Vitamin K: Einblicke in ein unterschätztes Vitamin
Inhaltsverzeichnis
- Vitamin K und seine verschiedenen Unterarten
- Vitamin K aktiviert Proteine
- Blutgerinnungsfaktoren
- Vitamin K in der Knochengesundheit
- Vitamin K: Funktionen außerhalb der Knochengesundheit
- Weitere Funktionen von Vitamin K werden erforscht
- Fazit
Vitamin K und seine verschiedenen Unterarten
Vitamin K kommt in verschiedenen Unterarten vor. So unterscheidet man grundsätzlich zwischen Vitamin K1 (dem sog. Phyllochinon), das hauptsächlich in grünem Gemüse vorkommt, und Vitamin K2 (dem sog. Menachinon), das als Unterform K2 MK-4 in tierischen Lebensmitteln bzw. als Unterform K2 MK-7 in fermentierten Lebensmitteln vorkommt.
Vitamin K1 wird in einem gesunden Darm durch die Mikroorganismen teilweise in Vitamin K2 umgewandelt. Diese umgewandelte Menge reicht jedoch nicht aus, um den Vitamin-K2-Bedarf abzudecken, weshalb der menschliche Körper auf die zusätzliche Zufuhr von Vitamin K2 angewiesen ist.
K2 MK-4 und K2 MK-7 bilden dabei die beiden Hauptgruppen des Vitamin K2. Sie sind bislang am besten erforscht und bringen, wie auch das Vitamin K1, zahlreiche gesundheitliche Vorteile mit sich. Doch obwohl sie im Grunde gleich wirken, ist ihre Wirkung von unterschiedlicher Dauer.
So verfügt das Vitamin K2 MK-4 tierischen Ursprungs über eine Halbwertszeit von nur wenigen Stunden im menschlichen Körper, danach fallen die Werte wieder ab. Wenn man also eine nützliche Konzentration aufrechterhalten will, muss es über den ganzen Tag verteilt eingenommen werden.
Das Vitamin K2 MK-7 bakteriellen Ursprungs (aus fermentierten, pflanzlichen Lebensmitteln) hat dagegen eine wesentlich längere Halbwertszeit. Es befindet sich damit länger im Kreislaufsystem, sodass schon eine einzige Tagesdosis einen konstanten Schutz durch Vitamin K2 gewährleistet.
Vitamin K aktiviert Proteine
Vitamin K vermittelt seine Funktion dadurch, dass es einen Prozess ermöglicht, der als Carboxylierung bezeichnet wird. Bei der Carboxylierung werden sog. Carboxygruppen (-COOH) auf ein Zielmolekül übertragen.
Im Falle von Vitamin K werden auf diese Weise verschiedene Proteine modifiziert. Durch diese Veränderung werden die Zielproteine aktiviert – genauer gesagt versetzt diese Modifikation die Zielproteine in die Lage, Calcium zu binden, was ihnen ihre biologische Funktion erst ermöglicht. Die meisten dieser Vitamin-K-abhängigen Proteine (VDKPs) finden sich im Rahmen des Calcium-Stoffwechsels und der Blutgerinnung.
Blutgerinnungsfaktoren
Die blutgerinnungsfördernden Eigenschaften von Vitamin K führten 1929 zu seiner Entdeckung.
Im Falle einer Verletzung werden die VDKPs der sog. Blutgerinnungskaskade durch Vitamin K aktiviert, was zur Bildung von Fibrin und damit zur Blutgerinnung führt. Vitamin K aktiviert allerdings auch Enzyme, die Fibrin wieder abbauen. Dadurch erfüllt es nicht nur aktivierende, sondern auch regulierende Aufgaben1.
Vitamin K in der Knochengesundheit
Ein Mangel an Vitamin K wird mit einem erhöhten Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche in Verbindung gebracht1–3. Vitamin K hat viele Funktionen im Rahmen des Aufbaus der Knochen, die alle von bestimmten Vitamin-K-abhängigen Proteinen (VKDPs) abhängig sind. Die bekanntesten davon sind „Matrix-Gla-Protein“ (MGP), „Gla-rich Protein“ (GRP) und Osteocalcin.
Osteocalcin macht Knochen hart
Osteocalcin ist wahrscheinlich das bekannteste und bestuntersuchte Vitamin-K-abhängige Protein. In den Knochen ist es maßgeblich am Aufbau der Knochenmatrix beteiligt, da es für den Aufbau von Hydroxylapatit notwendig ist (grundlegender Baustoff für Knochen und Zähne)1.
Es wird von den Zellen, die für den Knochenaufbau verantwortlich sind (Osteoblasten), gebildet und hemmt Zellen, die den Abbau der Knochenmatrix vermitteln (Osteoklasten). Seine Bildung ist von vielen Faktoren abhängig, u.a. von der Versorgung mit Vitamin D.
In der Diagnostik wird der Aktivierungsgrad (Carboxylierungsrate) dieses Vitamin-K-abhängigen Proteins analysiert, um wiederum den Vitamin-K-Status zu bestimmen.
„Matrix-Gla-Protein“ (MGP), und „Gla-rich Protein“ (GRP) binden und transportieren Calcium
as MGP wird von den Endothelzellen, welche die Blutgefäße ähnlich wie eine Tapete auskleiden, gebildet und verteilt sich anschließend in den Blutgefäßen, Knorpeln, Weichgeweben und Knochen. Nach seiner Vitamin-K-abhängigen Aktivierung kann es effizient Calcium binden und dies in die Knochen transportieren.
Für GRP sind ähnliche Mechanismen bekannt, es ist allerdings weniger gut erforscht. Der gezielte Transport von Calcium in die Knochen ist somit ein Vitamin-K-abhängiger Prozess.
Vitamin K: Funktionen außerhalb der Knochengesundheit
Während sich die meisten der Rolle von Vitamin K für die Knochengesundheit bewusst sind, ist die essenzielle Rolle bei der Blutgerinnung weniger bekannt.
Vitamin K in der Prävention der Calcifizierung von Geweben und Blutgefäßen
Eine dieser Funktionen knüpft an die zuletzt beschriebene Eigenschaft der Vitamin-K-abhängigen Proteine „Matrix-Gla-Protein“ (MGP) und „Gla-rich Protein“ (GRP) an. Diese Proteine binden nach der Aktivierung durch Vitamin K effizient Calcium und transportieren es in die Knochen. Genau dieser vereinfacht dargestellte Prozess scheint eine wichtige Rolle bei der Prävention der Calcifizierung (Ablagerung von Calcium) von Geweben und Blutgefäßen zu spielen, die einen Risikofaktor bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellt.
Epidemiologische Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen zu geringen Vitamin-K-Werten und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf4.
Eine weitere Studie, auf die sich hier gerne bezogen wird, ist eine Tierstudie, in der die Ergänzung von Vitamin K2 eine zuvor induzierte Verkalkung der Blutgefäße sogar rückgängig machen konnte5.
Vitamin K in der Energieproduktion und als Antioxidans
Vitamin K hat eine auffallend ähnliche Struktur zu Ubichinon-10 (Coenzym Q10). Dieses berühmte Antioxidans hat wichtige Funktionen als Überträger von Elektronen im Rahmen der Energieproduktion.
Auf Basis der ähnlichen Struktur zwischen Q10 und Vitamin K2 wurden ähnliche Funktionen bereits vermutet und mittlerweile liegen auch erste Daten vor, die diese Annahme bestärken.
Was genau macht K2 im Rahmen der Energieproduktion?
Die Energieproduktion im Menschen findet in den sog. Mitochondrien (den Zellkraftwerken) statt. Der Prozess, der am Ende zur Produktion von ATP führt, nennt sich Atmungskette (ATP ist der universelle Energieträger).
Dieser Prozess stellt eine Übertragung von Elektronen dar und benötigt „Träger“ für diese Elektronen. Im Normalfall übernimmt das Coenzym Q10 (Ubichinon-10). Ist diese Übertragung fehlerhaft, kommt es zur Entstehung freier Radikale und reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) – kurz zu oxidativem Stress. Tritt dieser längerfristig auf, stellt er ein Gesundheitsrisiko dar.
Vitamin K2 ist auch in der Lage, im Rahmen der Energieproduktion wie Q10 als Träger für Elektronen zu fungieren. Dadurch trägt Vitamin K2 zu einer normalen Energieproduktion bei und optimiert die Gesundheit unserer Zellkraftwerke (Mitochondrien)6,7.
Vitamin K2 – weitere antioxidative Effekte
Neben der Funktion als Elektronenträger in den Mitochondrien gibt es weitere beschriebene Vitamin-K-abhängige, antioxidative Effekte. So zeigt das in Zellmembranen vorkommende Enzym „VKORC1L1“ starke, Vitamin-K-abhängige, antioxidative Eigenschaften. Dabei waren sowohl K1 und K2 effektiv, wobei mit K2 eine bessere Wirkung beobachtet wurde7,8.
Vitamin K2 weist außerdem direkte antioxidative Effekte auf. In der Form „Vitamin K Hydrochinon“ (KH2, die reduzierte Form von Vitamin K) gehört Vitamin K zu den stärksten intrazellulären Antioxidantien, die es gibt7,9.
Vitamin K ist wichtig für Gehirn und Nerven und kann Entzündungen hemmen
Vitamin K zeigt schützende Effekte auf das Nervensystem. Diese schützenden Effekte beruhen dabei auf verschiedenen Mechanismen.
Wie bereits erwähnt schützt Vitamin K2 in einem gewissen Maß vor oxidativem Stress, was im Falle von Nervenzellen sowohl für K1 als auch K2 gezeigt wurde.
Vitamin K kontrolliert entzündungsfördernde Enzyme
Ein Zusammenhang zwischen Vitamin K und niedrigen Entzündungswerten ist schon länger bekannt10. Die zugrundeliegenden Mechanismen werden noch erforscht. So ist bspw. bekannt, dass Vitamin K ein Enzym hemmt (12-Lipoxygenase), welches oxidativen Stress und Entzündungen begünstigt11. Eine übermäßige Aktivität dieses Enzyms ist ein Risikofaktor für die Gesundheit von Hirn- und Nervenzellen12.
Vitamin K kann vor den negativen Folgen von Glutamat schützen
Ein weiterer Risikofaktor für die neuronale Gesundheit sind die pro-oxidativen Effekte von Glutamat. Glutamat ist ein wichtiger Botenstoff des Nervensystems (Neurotransmitter). Es aktiviert bestimmte Rezeptoren, zu denen auch die sog. NMDA-Rezeptoren gehören.
Geschieht dies in einem zu hohen Maße (wie im Falle stark gestresster Zellen), hat dies negative Auswirkungen wie oxidativen Stress zur Folge. Vitamin K scheint in einem gewissen Maß vor diesen negativen Auswirkungen schützen zu können13.
Die Vermehrung von Nervenzellen und ein kontrolliertes Absterben von geschädigten Zellen ist abhängig von Vitamin K
Über die antioxidativen und anti-entzündlichen Effekte von Vitamin K hinaus profitieren Nervenzellen von den Vitamin-K2-abhängigen Effekten auf die mitochondriale Energieproduktion7 und auch die Vermehrung (Proliferation) von Nervenzellen ist teilweise abhängig von Vitamin K (über das Vitamin-K-abhängige Enzym Gas6).
Gas6 ist in vielen Geweben in zellregulatorische Prozesse involviert und spielt u.a. eine Rolle bei der Vermehrung (Proliferation) von Zellen und der Regulation des kontrollierten Zelltods (Apoptose)1,14,15.
Weitere Funktionen von Vitamin K werden erforscht
Neben den beschriebenen antioxidativen und anti-entzündlichen Effekten, der Rolle bei Gewebe- und Gefäßverkalkung und den positiven Effekten bei der Energieproduktion in den Mitochondrien werden ganz aktuell noch weitere Effekte wissenschaftlich untersucht.
Vitamin K bei der Produktion von Testosteron
So finden sich bspw. Studien, die sich mit Funktionen des Vitamins bei der Produktion von Testosteron (dem männlichen Geschlechtshormon) befassen. In Rattenstudien wurde gezeigt, dass eine Vitamin-K-Gabe die Testosteronproduktion bei Tieren mit Vitamin-K-Mangel normalisierte16. Eine mögliche Funktion wird hier auch dadurch gestützt, dass sich Vitamin K2 (MK-4) in den Hoden anreichert16.
Vitamin K spielt eine Rolle im Zellaufbau, der Zellvermehrung und dem kontrollierten Zellabbau
Durch den Einfluss von Vitamin K auf Proteine, die in zellregulatorische Prozesse involviert sind wie Gas6 und Protein S, wird immer wieder diskutiert, welche Effekte Vitamin K bei der Prävention von Krebs spielt. Einige Studien sprechen von möglichen präventiven Effekten durch regulatorische Effekte auf den Zellzyklus. Praktische Implikationen sind hier jedoch noch völlig unklar17.
Fazit
In den kommenden Jahren wird Vitamin K ein sehr interessantes Thema bleiben. Fest steht auf jeden Fall, dass das Vitamin zu Unrecht unterschätzt wurde und es deutlich mehr Funktionen hat als seine Rolle in der Knochengesundheit. So sind schon heute positive Effekte im Rahmen der Energieproduktion, für die neuronale Gesundheit und als Antioxidans bekannt.
Quellen
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